Wildpflanzen auf dem Balkon
Herbstgefühl bereits Ende Juni

Hilfe, alles verblüht!

Pflanzen in Töpfen und Kästen sind extremen Temperaturen und Trockenheit ungeschützter ausgesetzt. Sie verblühen schneller. Und mit dem Hitzestress kommen dann auch die Schädlinge.

Das Frühjahr 2018 war das zweitwärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. In Berlin war es am wärmsten und sonnigsten. Hier konnte, wer wollte, 720 Stunden sonnenbadend am Wannsee verbringen. Ganz bei uns in der Nähe, im Landschaftspark Johannisthal, sind 531 junge Bäume vertrocknet und werden jetzt gefällt. Ein solcher Frühling geht auch nicht spurlos an Balkoniens Flora vorüber.

Nachsaaten und Rückschnitt

Kaum aufgeblüht, waren meine Zwergglockenblumen auch schon wieder verblüht. So eilig hat es sonst nur Klatschmohn. Dann flackerte eine Spinnmilbenepidemie auf, ausgehend von einer gelb rieselnden Minzpflanze. Mitte Juni sah ich mich bereits auf einen blatt- und blütenlosen Hochsommer und Herbst zusteuern.

Also beschloss ich, Kornblumen und Nelkenleimkraut nachzusäen. Normalerweise ist Mitte/Ende Juni ganz schön spät für Aussaataktionen. Aber dieser Frühling war nicht normal und meiner Erfahrung nach spricht nichts dagegen, um so eine spätere Blüte bei Einjährigen zu erzielen. Ein möglicher Nachteil, den man sich mit sehr späten Aussaaten einhandeln kann: Die Nachzügler bilden keine Samen mehr aus. Für diese leicht verzweifelte Aktion eignen sich auch andere Kandidaten, die voraussichtlich schnellwüchsig genug sind, um in Rekordzeit zur Blüte zu kommen. Etwa Kornrade oder Ringelblumen, also die Arten, von denen man in der Regel mehr als genug Saatgut vorrätig hat. Ich säte in kleine Gefäße und pikierte die Jungpflanzen später in größere Töpfe. Mein ursprünglicher Plan, sie noch irgendwo in den Kästen zu platzieren, schlug fehl, weil alles schon stark durchwurzelt war.

Dann ging ich dazu über, die dürftige Balkonblüte aus freien Stücken noch weiter zu dezimieren: Meine gerade erst aufgeblühte marrokanische Minze habe ich rigoros zurückgeschnitten. (An dieser Stelle nochmal der Hinweis, dass sich meine Wildpflanzen den Platz mit einigen Kräutern und naturnahen, gärtnerischen Staudensorten teilen müssen.) Ein Schnitt auch in meine insektenliebende Seele, denn einige versprengte Honigbienen hatten Gefallen an den kleinen weißen Blüten gefunden. Der Rückschnitt war notwendig, weil tausend Spinnmilben auf der Minze hockten und an ihr saugten, was das Zeug hielt. Die Ärmste sah aus, als wäre es schon Ende September. Als Memento mori – trauriges Symbol der Vergänglichkeit – hatte der Anblick durchaus seine Berechtigung, aber die draufgängerischen Spinnmilben waren bereits auf Heilziest und Gelbe Skabiose übergesiedelt. Weiteres Ungemach drohte also.

Spinnmilben sind Schädlinge, die typischerweise bei hoher Lufttrockenheit zuschlagen. 700 Stunden Sonne bei kaum nennenswertem Regen hatten die Luft wohl etwas ausgetrocknet, ja. Die Minzenblätter wurden erst silbrig, dann gelb und rieselten schließlich herunter. Vor diesem Hintergrund möchte ich mir selbst nochmal dringend davon abraten, Minzen in kleine Töpfe und Kästen zu pflanzen. Kurzer Minz-Exkurs: Minzen schicken innerhalb weniger Monate armdicke Kabelstränge von Wurzeln nach links und rechts durch den Kasten. Natürlich reicht ihnen das Wasser grundsätzlich nie. Nach einem Jahr zeigen sie ein Wuchsbild, das ich gern als pflanzliche Tonsur bezeichne: Innen kahl, außen na ja. Und dann hört der Topf oder Kasten ja auch schon auf. Pflanzen, die im Freiland gern durch die Gegend wandern und wuchern, sollte man lieber nicht auf dem Balkon einsperren. Aber trotz besseren Wissens probiere ich es immer wieder neu aus. Die anderen von der Spinnmilbe besiedelten Pflanzen schlagen sich übrigens besser als die ohnehin zu sehr in ihrem Kasten deprivierte Minze. Sie können und dürfen die Sache aussitzen, wie es sich für waschechte Wildpflanzen gehört.

Meine Auswahl von Spätblühern

Schließlich rang ich mich dazu durch, kurzerhand eine kleine Auswahl spätblühender Stauden bei der Staudengärtnerei Gaißmayer zu bestellen. Eigentlich wollte ich das auf keinen Fall vor unserem Umzug im September machen. Zumal die Vorstellung, dass die Pflanzen bei diesen hochsommerlichen Temperaturen tagelang im DHL-Bus durch die Gegend reisen müssten, wenig ermutigend schien. Wenig ermutigend ist auch die Aussicht auf noch mehr schwere Töpfe und Kästen im vierten Stock ohne Aufzug. Am allerschlimmsten fand ich aber die Vorstellung eines blütenlosen Balkons. Hungrige Insekten würden zu Hunderten enttäuscht und mit leerem Magen abdrehen und weiterfliegen. Also Gaißmayer. Ich suchte die Pflanzen danach aus, dass sie möglichst spät blühen, dass sie bitteschön mit dem Platz in einem Balkonkasten zurechtkommen und, dass sie im besten Fall auch noch einen ‚heimischen Hintergrund‘ haben. Geklappt hat das nur teilweise:

Aster sedifolius Nanus ist eine kompaktwachsende Sorte der Ödlandaster, die in den Steppen Südosteuropas heimisch ist. Also nah dran, wenn auch nicht ganz heimisch. Meine Hoffnung ist es, dass diese spätblühende und trockenheitsverträgliche Art die städtische Hitze locker wegstecken wird. Astern sind eine wunderbare Gattung für Insekten, da sie im späten Sommer und Herbst richtig auffahren, wenn sonst blütentechnisch nicht mehr viel los ist. Allerdings benötigen die meisten Astern relativ viel Feuchtigkeit und/oder sie werden zu hoch für den Balkon. Viele sehr schöne Arten stammen auch aus den USA oder Asien, sind also nicht heimisch. Ausnahmen sind die sehr empfehlenswerte Kalkaster (Aster amellus) und die Alpenaster (Aster alpinus). (Meine Kalkaster lebt seit vielen Jahren in einem Kasten in Marburg und blüht zuverlässig, wenn auch nicht gerade üppig.) Gern hätte ich noch die ein oder andere Sorte der Kalkaster bestellt, aber Kalkastern sind heikel wenn es um das Thema Überwinterung geht und bevorzugen eine Frühjahrspflanzung.

Inula ensifolia Compacta ist die etwas niedriger wachsende Sorte des Zwergalants. 15 cm weniger machen einen Unterschied im Balkonkasten. Außerdem blüht diese naturnahe Sorte bis in den September hinein. Hoffentlich werde ich noch mit ihren spitzen Blättern warm.

Corydalis lutea, der Gelbe Lerchensporn ist ein hochgelobtes Blühwunder, das bis in den Oktober hinein seine gelben Spornblüten nachschiebt. Ich mag das blaugraue, fiedrige Laub, weil es so schön im Wind wippt.

Lythrum salicaria, der Blutweiderich. Eine hohe, wunderschöne Sumpfstaude, die es mir angetan hat. Eigentlich suche ich immer nach niedrigen Stauden, die Trockenheit aushalten, aber hier mache ich eine Ausnahme in allen Punkten. Entscheidend war sonst auch hier die späte Blütezeit, die bis in den September reichen kann.

Nepeta racemosa Superba ist eine niedrige Sorte der Blauminze, die sehr gut für den Balkonkasten geeignet ist. Sie ist eine zuverlässige Zweitblüherin, d.h. sie blüht nach einem Rückschnitt erneut und verlängert die Blüte so bis in den Herbst.

Satureja montana, das Bergbohnenkraut, ist ein insektenumschwärmter Spätblüher für den August und September. Und wandert in Teilen auch mal in den Suppentopf.

Sedum cauticola Robustum, die Pflaumen-Fetthenne, ist nicht heimisch. Dennoch habe ich mich für sie entschieden, weil sie die richtige Größe für den Kasten hat (ca. 25 cm) und bis in den September blüht. Wie andere Sedum-Arten auch, fliegen Insekten die Pflaumen-Fetthenne sehr gern an.

Mittlerweile ist die Spinnmilben Epidemie eingedämmt. Ein paar Arten blühen toll: Hornklee und Bergminze reißen es mit ihrer Blütenfülle wirklich raus. Meine Gelbe Skabiose, eine Aussaat diesen Jahres, beginnt jetzt auch zögerlich. Die neuen Pflanzen von Gaißmayer blühen ebenfalls bereits oder zeigen ihre Knospen. Ich bin beruhigt: Die Hummeln und Wildbienen können weiterhin kommen.

Blutweiderich

Blutweiderich

Welche spätblühenden, möglichst heimischen Arten oder naturnahen Sorten könnt ihr empfehlen?

 

 

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